Falkensee und Rathenow: Jugendorganisationen wehren sich gegen Einsparungen
Das Kinder- und Jugendparlament Rathenow, das Jugendforum Falkensee, der Jugendbeirat Falkensee und die AG78 „Kinder- und Jugendarbeit“ im Havelland haben sich in einem gemeinsamen Papier zur Haushaltssperre des Landkreises geäußert.
In ihrer Stellungnahme zur Haushaltssperre schreiben sie, dass diese „erhebliche Risiken für die Zukunft unserer Region, insbesondere im Hinblick auf Kinder und Jugendliche“ mit sich bringe. Sie warnen davor, dass durch die geplanten Einsparungen des Landkreises bei den Sozialleistungen präventive Angebote wie Jugendclubs, Ferienangebote oder Drogen- und Suchtpräventionsprojekte gestrichen werden könnten. Prävention und Kooperation werden in Deutschland häufig als sogenannte freiwillige Aufgaben eingestuft, die für Kommunen nicht verpflichtend sind und daher bei schlechter Haushaltslage zuerst infrage gestellt werden. Da hierdurch langfristig noch viel mehr junge Menschen von Benachteiligungen betroffen sein könnten und teilweise kostspielige Hilfen benötigen würden, fordern sie den Landkreis auf, die Haushaltssperre im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Jugendsozialarbeit sofort zurückzunehmen.
Das Kinder- und Jugendparlament Rathenow ist, wie das Jugendforum Falkensee, ein Gremium, in dem jungen Menschen die Möglichkeit geboten wird, in der lokalen Politik mitzuwirken. Ihre Treffen und Sitzungen sind öffentlich, und jeder kann bei Interesse teilnehmen. Der Jugendbeirat Falkensee ist ebenfalls ein Jugendgremium. Der Unterschied besteht darin, dass die Mitglieder von den Jugendlichen aus Falkensee bei der Jugendkonferenz offiziell gewählt werden und diese dann ein ganzes Jahr in der Politik vertreten. Weitere Informationen, Termine und Kontaktdaten des KiJuPa Rathenow, des Jugendbeirats und des Jugendforums Falkensee sind auf deren Webseiten einsehbar.
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Gemeinsame Stellungnahme der AG78, des Jugendbeirates Falkensee, des Kinder- und Jugendparlamentes Rathenow und des Jugendforums Falkensee zur aktuellen Haushaltssituation im Landkreis Havelland und den Auswirkungen auf die Kinder- und Jugendhilfe
Mit großer Sorge nehmen wir die jüngsten Entwicklungen im Haushalt des Landkreises Havelland zur Kenntnis, insbesondere die verhängte Haushaltssperre und deren Auswirkungen auf den Sozialbereich. Diese Entscheidung - so nachvollziehbar sie aus haushaltspolitischer Sicht erscheinen mag - birgt erhebliche Risiken für die Zukunft unserer Region, insbesondere im Hinblick auf Kinder und Jugendliche.
Die gestiegenen Ausgaben in der Kinder- und Jugendhilfe spiegeln nicht nur die erhöhten Bedarfe wider, sondern sind auch Ausdruck einer stetig wachsenden Verantwortung, der wir als Gesellschaft gegenüber unseren jüngsten und verletzlichsten Mitgliedern nachkommen müssen. Es ist schwer zu bestreiten, dass Präventionsmaßnahmen entscheidend sind, um langfristige Probleme zu verhindern oder bereits im Frühstadium zu erkennen und zu bearbeiten. Wer heute an der Prävention spart, muss morgen mit deutlich höheren Kosten für Interventionen rechnen – sei es durch verstärkte Unterstützung in Krisenfällen, höhere Ausgaben im Gesundheitssystem oder durch den Anstieg von gesellschaftlichen Problemen wie Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit.
Prävention und Kooperation werden in Deutschland häufig als sogenannte freiwillige Aufgaben eingestuft, die für Kommunen nicht verpflichtend sind und daher bei schlechter Haushaltslage zuerst infrage gestellt werden. Der Gesetzgeber hat im § 79 SGB VIII allerdings unmissverständlich festgelegt, dass „von den für die Jugendhilfe bereitgestellten Mitteln ein angemessener Anteil für die Jugendarbeit zu verwenden“ ist. Diese Vorgabe ist kein unverbindlicher Vorschlag, sondern eine bindende Verpflichtung. Wenn die Ausgaben in den Hilfebereichen steigen, müssen die Mittel für die Jugendarbeit nicht gesperrt, sondern erhöht werden!
Leider sind diese Leistungen oft unzureichend mit individuellen einklagbaren Rechtsansprüchen hinterlegt, was ihnen insbesondere bei Haushaltsverhandlungen eine schwache Position verleiht. Lassen Sie uns nicht den Fehler machen, den Brandschutz in den Nachbarhäusern zu deinstallieren, um damit unser brennendes Haus zu löschen. Ein solcher Schritt würde nicht nur das aktuelle Feuer kaum eindämmen, sondern einen unkontrollierbaren Flächenbrand verursachen. Genauso verhält es sich mit der Kinder- und Jugendhilfe: Wer heute die Prävention schwächt, zündet damit die sozialen Probleme von morgen an.
Durch die akute Haushaltssperre könnten beispielsweise die geplanten Ferienfreizeiten für die Herbstferien 2024 nicht realisiert werden, da die notwendigen Mittel eingefroren sind. Ohne pädagogisch wertvolle Angebote besteht ein erhöhtes Risiko für soziale Isolation und übermäßigen Konsum digitaler Medien. Ein weiteres Beispiel betrifft die Gefährdung der Durchführung geplanter Cannabis-Präventionsprojekte. Gerade jetzt nach der Legalisierung ist die Notwendigkeit solcher Projekte größer denn je. Was würde wirklich gespart, wenn wenige hundert Euro für diese Präventionsmaßnahmen jetzt in der Kasse des Landkreises bleiben, um damit ein Millionendefizit bekämpfen zu wollen?
Es ist in der aktuellen Situation von entscheidender Bedeutung, die Finanzierung der Kinder- und Jugendarbeit nach §§11, 13 und 14 SGB VIII nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern weiter zu stärken. Investitionen in Präventionsprojekte wirken sich langfristig positiv auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus und tragen zur sozialen Stabilität bei. Fachpublikationen* unterstreichen, dass frühzeitige Unterstützung und Interventionen nicht nur das individuelle Wohl der Betroffenen fördern, sondern auch erhebliche volkswirtschaftliche Einsparungen generieren.
Havelland, den 9.9.2024
Tilo Windt Sprecher der AG78 „Kinder- und Jugendarbeit“ Kinder- und Jugendbeauftragter der Stadt Rathenow tilo.windt@stadt-rathenow.de
Johanna Roth Vorsitzende des Jugendbeirates Falkensee info@jugendbeiratfalkensee.eu
Masa Shalati & Dennis Driebusch Vorstand Kinder- und Jugendparlament Rathenow kijupa.rathenow@gmail.com
Charlotte Lang & Marius Miethig Koordination Jugendforum Falkensee info@jugendforum-fks.de
*Links zu Publikationen zur Vertiefung:
https://www.liga-rlp.de/wp-content/uploads/2022/04/NRW_-_Soziale_Praevention_-_Bilanzierung_Sozialer_Folgekosten_-_Prognos-Studie.pdf
https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/77_Kein_Kind_zuruecklassen/KeKiz_WB11_orange_final.pdf
https://www.fruehehilfen.de/fileadmin/user_upload/fruehehilfen.de/pdf/Publikation_Werkbuch_Praeventionskette.pdf